Casino-Livestreams: Geht Twitch-Galionsfigur MontanaBlack zu weit?
Posted on: 04/11/2018, 05:30h.
Last updated on: 19/05/2020, 11:54h.
Ein erfolgreicher Influencer bewirbt ein Online-Casino und streamt live, wie er hohe Summen gewinnt. Seine Zuschauer sind zu einem gro?en Teil Minderj?hrige. Kritiker sind entsetzt, die Verantwortlichen geben sich entspannt.
YouTube & Co: Gucken statt spielen?
Wer sich für Automatenspiele interessiert, Freude an sich drehenden Walzen, blinkenden Lichtern und der typischen Ger?uschkulisse von Spielautomaten hat, aber nicht selbst spielen m?chte, ist bei YouTube genau richtig.
Unz?hlige Accounts stellen die neuesten Slots vor, werben mit Strategien für das Online-Spiel oder gleich dem ?einen ultimativen Trick“, mit dem ?Book of Ra“ und Co. zu überlisten seien.
Das Prinzip ist einfach: Man nehme ein Smartphone und filme den Bildschirm eines physischen Automaten oder des eigenen PCs daheim ab. Kommentare oder aufwendige Bearbeitungen erübrigen sich, im Grunde geht es dem Zuschauer ohnehin ausschlie?lich um das blinkende Geschehen und die m?glichen Gewinne. Eine Ablenkung durch besondere Kreativit?t scheint nicht n?tig zu sein.
Fakt ist: Diese Art der Videoproduktion ist nicht nur einfach, sondern auch lukrativ. Die Klickzahlen bestimmter Automatenspiel-Videos gehen locker in den sechsstelligen Bereich. Ob die Macher ein Zubrot von Spieleherstellern oder -industrie erhalten, ist von au?en nicht zu bestimmen, aber durchaus im Bereich des Wahrscheinlichen.
Twitch-Zugpferd ?MontanaBlack“
Dass das Glücksspiel, ob am physischen Automaten oder im Internet, den Spieler nicht nur Geld kosten, sondern auch hohe Betr?ge einbringen kann, hat der erfolgreichste deutsche Twitch-Streamer Marcel Eris, a.k.a. MontanaBlack, herausgefunden und macht es sich nun zunutze.
Der 30-J?hrige, der seinen ersten YouTube-Kanal im Jahr 2009 gründete und seitdem regelm??ig Videos auf der Plattform hochl?dt, gilt mit über 1,2 Millionen Followern als der erfolgreichste deutsche Livestreamer auf dem aufs Gaming ausgerichteten Videoportal Twitch.
Schon lange beobachten Kinder- und Jugendschützer die Verbindung von Influencern und Werbung mit Sorge. Ob Mode, Lifestyle-Produkte oder Kosmetik, die Stars von YouTube und Co. erreichen ihr zumeist junges Zielpublikum sehr viel direkter, als es klassische Werbung in Fernsehen oder Printmedien vermag.
Durch die hohe Glaubwürdigkeit, die die Internet-Prominenten bei ihren Fans genie?en, lohnt es sich für Unternehmen, ihre Produkte mehr oder minder auff?llig in Videos von Influencern bewerben zu lassen.
Seit dem Sommer 2018 müssen Influencer Werbung als solche kennzeichnen und ihre Auftraggeber benennen. Da die Regelungen, ab wann ein Posting als Werbung anzusehen ist, viel Raum für Interpretationen lassen, sind etliche Influencer dazu übergegangen, prophylaktisch alle ihre Auftritte als kommerziell zu kennzeichnen. Die erhoffte Transparenz erhalten die jungen Zuschauer so nicht.
Knapp fünf Dollar im Monat zahlt jeder der über 19.000 Abonnenten für kleine Extrafunktionen, wie z.B. den Einsatz besonderer Emojis im User-Chat, wenn Eris in Echtzeit auf Twitch streamt. Allein hierdurch verdient ?MontanaBlack“ bis zu 66.000 Dollar im Monat. Die genauen Konditionen seiner Twitch-Partnerschaft sind der ?ffentlichkeit – wie im Bereich der Streamer und Influencer üblich – nicht bekannt.
Hinzukommen Erl?se aus Werbung, Merchandise, Sponsoring-Vertr?ge und – wie Eris seinen Zuschauern freudig verkündet – gro?e, ach, was sagen wir, grandiose (!) Gewinne beim Online-Glücksspiel. Allein im vergangenen Monat, so der Streamer, habe er 80.000 Euro gewonnen. Und zwar allein im Online-Casino lapalingo.de.
Und nachts klingelt die Kasse
Um seine hervorragende Beziehung zu Fortuna für seine Zuschauer greifbar zu machen, ist ?MontanaBlack“, der durch Livestreams des ?u?erst popul?ren Survival-Computerspiels ?Fortnite“ zu Ruhm gelangte, dazu übergegangen, regelm??ig ab Mitternacht zu streamen, wie er die Walzen rotieren l?sst. Natürlich auf lapalingo.
Dieses neue Gesch?ftsfeld ruft Kritiker auf den Plan, die dem Internetph?nomen MontanaBlack gleich in mehrfacher Hinsicht Verantwortungslosigkeit und Rechtsbruch vorwerfen.
Die Sache mit den Gesetzen
Zum einen regelt in Deutschland der von den Ministern der L?nder erarbeitete Glücksspielstaatsvertrag, welche Formen des Glücksspiels in der Bundesrepublik erlaubt sind. Zwar sollen zur Ministerpr?sidentenkonferenz im M?rz kommenden Jahres Vorschl?ge zur Neuregelung der Bestimmungen erarbeitet werden, derzeit ist aber eines klar:
Unternehmen, die keine deutsche Lizenz für das Angebot von Online-Glücksspielen haben, dürfen auf dem deutschen Markt nicht operieren. Der Clou: Es gibt keine deutschlandweiten Lizenzen für Onlineanbieter von Glücksspielen. Konkret bedeutet das: Auch wenn ein Anbieter eine Lizenz aus dem europ?ischen Ausland (in diesem Fall Malta) vorweisen kann, handelt es sich rein rechtlich bei seinem Angebot in Deutschland um unerlaubtes Glücksspiel.
Das ist natürlich verboten, ebenso, wie die Werbung dafür.
Zielgruppe: Jung, m?nnlich, beeinflussbar
Erschwerend kommt für die Kritiker hinzu, dass das Publikum des Streamers auf Twitch zu einem gro?en Teil aus Minderj?hrigen bzw. jungen Erwachsenen besteht.
Das Vermarktungsunternehmen SevenOneMedia, das seinen Kunden auch Werbepakete auf Twitch anbietet, stellt auf seiner Internetpr?senz klar heraus, wer auf dem eigentlich auf eSports ausgerichteten Portal prim?r erreicht wird:
Twitch.tv spricht die meinungsstarke m?nnliche und vernetzte Zielgruppe im Alter von 15 bis 29 Jahren an, die auf Videoplattformen und in Social Networks sehr pr?sent ist und dadurch einen starken Einfluss auf die Kaufentscheidungen ihrer Freunde und Familie besitzen.
Dass es genau diese Zielgruppe ist, die das gr??te statistische Risiko tr?gt, ein problematisches Spielverhalten zu entwickeln, ist für MontanaBlack offensichtlich nicht relevant. Und das, obwohl (oder vielleicht sogar weil?) er laut eigener Aussage, selbst spielsüchtig ist:
Natürlich… da habe ich auch nie ein Geheimnis draus gemacht. Ich habe eine Spielsucht. Das brauche ich auch nicht zu verheimlichen.
Wer sich die Casino-Streams von Marcel Eris ansieht oder sich Interviews mit ihm zu Gemüte führt, k?nnte dieser Selbsteinsch?tzung folgen. Der Streamer ist tief im Thema, spricht schnell, oft fast gehetzt, und bügelt Kritik konsequent ab.
Hohe Gewinne nur dank manipuliertem Account?
Insbesondere der mehrfach ge?u?erte Verdacht, sein Spieler-Account auf dem von ihm beworbenen Portal sei manipuliert, da seine Gewinne in ihrer H?he und Frequenz schlichtweg unrealistisch seien, fordert den Protest des Streamers:
Die Casino-Plattform sei ?staatlich und vom Finanzamt kontrolliert“ lie? der Internetstar einst wissen und musste sp?ter zurückrudern. Kritiker hatten die Thematik des Glücksspielstaatsvertrages ins Spiel gebracht.
überhaupt habe sein Partner es aber auch nicht n?tig, irgendwen irgendwie ?zu be******en“, schlie?lich tummelten sich t?glich Millionen von Usern auf der Plattform, ereifert sich Eris. Er selbst habe gerade einfach eine Glücksstr?hne.
Verantwortung? Eher was für die Anderen
Auch das Thema ?Verantwortung“ l?sst den 30-J?hrigen, der zuvor bereits eine Drogensucht therapieren lie?, auf Nachfrage kalt:
Ich bin nicht verantwortlich, ob jemand seinen Monatslohn verzockt oder ob jemand überhaupt zockt.
Seine Casino-Streams seien lediglich zur Unterhaltung gedacht und wer aufgrund seiner Werbung Online-Casinos frequentiere, müsse sowieso mindestens 18 Jahre alt sein. Zudem habe er ja auch monatelang das Fu?ballspiel FIFA gestreamt, dessen In-Game-K?ufe noch viel mehr vom Glück abh?ngig seien, als die Spiele, die in Online-Casinos angeboten würden.
Letztendlich seien die Zuschauer aber absolut selbst dafür verantwortlich, ihre Grenzen zu kennen und einzuhalten.
Never change a running system
Dass Eris, der sich live vor Publikum schon mal 27.000 Euro vom Konto des Online-Casinos auszahlen l?sst, nicht vorhat, sein Gesch?ftsmodell zu ?ndern ist damit klar.
M?glicherweise aufgrund der in den letzten Tagen und Wochen aufgebrandeten Kritik bewegt sich ?MontanaBlack“ aber nun im Bereich der relativen Rechtssicherheit: Das Online-Casino ?sei zwar sein Partner und ein Vertrag würde ausgearbeitet, derzeit g?be es aber keine offizielle Zusammenarbeit. Diese Sprachregelung ist vernünftig, Stichwort ?Werbung für unerlaubtes Glücksspiel“ (s.o).
Fortgang ungewiss
Inwieweit Marcel Eris dennoch mit negativen Konsequenzen aufgrund seines Casino-Streamings rechnen muss, h?ngt von den zust?ndigen Instanzen ab. Er selbst erkl?rte via Twitter, aufgrund seiner T?tigkeiten bereits Vorteile von seinem Partner Fortnite entzogen bekommen zu haben. Der Tweet ist mittlerweile nicht mehr abzurufen.
Die Plattform Twitch weist in ihren Richtlinien darauf hin, dass User alle lokalen und nationalen Gesetze einhalten müssen, scheint im Wirken ihres deutschen Top-Streamers aber keinen Versto? gegen geltendes deutsches Recht zu sehen.
Die Medien-Anstalt Hamburg/Schleswig-Holstein, die für die Angebote des in Hamburg ans?ssigen Streamers zust?ndig ist, h?lt sich bedeckt, erkl?rt aber, Kenntnis von der Sachlage zu haben und voraussichtlich bald gegen diese vorgehen zu wollen.
Die bundesweit für die Glücksspiel-Werbung zust?ndige Bezirksregierung Düsseldorf muss den Fall MontanaBlack/Lapalingo nach eigenen Angaben erst prüfen, dies k?nne ?aufgrund der komplexen Rechtslage in diesem Bereich einige Zeit in Anspruch nehmen“.
übrig bleibt bis auf Weiteres, dass Marcel Eris, a.k.a. MontanaBlack, für seine minderj?hrigen Zuschauer das beste Beispiel dafür ist, wie man vermeintlich durch Online-Casinos schnell zu sehr viel Geld kommen kann: Man muss einfach nur ein erfolgreicher Influencer mit einer sehr gro?en Reichweite sein.
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